Ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben mit meiner Beinahe-Entführung durch al-Qaida-nahe Kämpfer in Syrien (siehe Blogeintrag etwas vorher). Nur Dank der sofortigen Hilfe der FSA-Rebellen (Freie Syrische Armee) konnten wir außer Landes gebracht werden. Trotz meiner jahrzehntelangen Erfahrungen (auch in Krisen und Kriegsgebieten) steckt mir dieses Ereignis noch immer in den Knochen (und in meinem Kopf!). In Syrien hat aber auch eine neue Dimension unkalkulierbarer Risiken für die Arbeit von Journalisten und Humanitären begonnen!
Es kann und darf einfach nicht sein, dass ein paar Radikale die lebenswichtige Arbeit der Humanitären verhindern und die Arbeit von Journalisten unmöglich machen. Ich bin auch Mitglied von „Reporter ohne Grenzen“, die sich um die Arbeit von Journalisten weltweit kümmern. In einer erst vor kurzem veröffentlichten Pressemitteilung kommt ROG zu dem Schluss, dass Syrien für Journalisten das gefährlichste Land der Welt ist. Bisher sind in diesem Krieg schon über 120 Fotografen und Journalisten getötet worden, 20 wurden bisher (Stand 12.2013) entführt. Wenn aber niemand mehr vor Ort ist und berichten kann, was passiert dann? Dann werden aus falschen, bewußt gestreuten Informationen (aller Kriegsparteien) irgendwann auch Nachrichten-Agentur-News, es ist ja niemand mehr vor Ort. Die Wahrheit stirbt im Krieg immer zuerst!
Zwischendurch war ich wirklich mehrmals ernsthaft am Überlegen, ob ich nach diesem existenziellen Erlebnis mit meiner Arbeit weitermache bzw. weitermachen kann. Ja- ich mache weiter! Warum? Weil ich meine Arbeit liebe und von der Kraft der Fotografien noch immer überzeugt bin. Ich möchte außerdem nicht, das die Angst siegt! Ein kleines, aber wichtiges Beispiel von Zivil-Courage habe ich über Herbert Grönemeyer gelesen. Kurz nach den Anschlägen auf die Twin-Towers im Jahr 2001 in New York, wollte niemand mehr so gerne in ein Flugzeug steigen. Grönemeyer lebt mit seiner Familie in London. Von dort musste er geschäftlich verreisen. Auf die besorgte Frage seiner Kinder, ob er denn nicht auf das Fliegen verzichten könne, antwortete er: „Wenn ich aus Angst jetzt nicht fliege, dann haben die Terroristen noch mehr Macht!“ Nicht, dass wir uns falsch verstehen-nach Syrien würde ich im Moment sicher nicht mehr gehen. Denn dort machen die Radikal-Islamisten weiter gezielt Jagd auf Journalisten (siehe Artikel unten).
Hier sind Links zu 2 Presse-Artikeln über unsere Beinahe-Entführung: Zeitonline, Frankfurter Rundschau online.
Nachtrag vom 12.12.2013. Hier ist noch ein aktueller Artikel von Spiegel online: Syrien: Rebellen entführen gezielt ausländische Reporter
Nachtrag vom 17.01.2014. Die Zeit online veröffentlichte am 14.01 folgenden Hintergrundartikel: Fundis gegen Radikale. Vormarsch der Islamisten.